Er ist sauer und schimpft: „Nie initiierst du Sex. Warum muss ich immer den ersten Schritt machen?“ Die Antwort ist einfach: Weil sie ein responsiver Typ ist.
Lust vs. Erregung
Lass uns erstmal zwischen Lust und Erregung unterscheiden. Lust ist der Wunsch, Sex zu haben. Erregung sind hingegen körperliche Symptome, die dein Körper macht, wenn du heiß wirst.
Die gängige Meinung ist, dass sexuelle Lust immer der Erregung vorausgeht. So sehen wir es in Hollywood-Filmen, lesen es in Roman und beobachten es in Pornos. Bei der Hälfte der Menschen (meistens Männern) ist das auch so. Sie verspüren Lust bzw. Verlangen und werden dadurch erregt.
Kein spontanes sexuelles Verlangen
Doch so geht es nicht bei allen Menschen. Die Forschung zeichnet ein anderes Bild. 85 % der Frauen und immerhin 25 % der Männer und die verspüren kein spontanes sexuelles Verlangen.
Bei ihnen wird die Lust quasi übersprungen und sie starten meistens gleich mit der Erregung. Ich gebe dir mal ein Beispiel, um zu veranschaulichen, was damit gemeint ist:
Der spontane Typ sitzt im Kaffeehaus, nippt an seinem Americano – und denkt an Sex. Dieser Typus geht auf der Straße, der kalte Wind pfeift ihm um die Ohren und er verspürt plötzlich sexuelles Verlangen. Der spontane Typ braucht nicht mal sexuelle, erotische oder sinnliche Reize, um in die Lust zu kommen. Es passiert einfach so. Spontan.
Doch nur 15 % der Frauen gehören zum spontanen Typ.
85 % der Frauen sind der responsive Typ.
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Responsiver Typ: Was für eine Erleichterung
Als ich das begriffen habe, fiel mir ein Stein vom Herz. Jahrelang stand bei uns Zuhause der Vorwurf im Raum: Nie geht Sex von dir aus! Immer muss ich anfangen. Ich habe mich falsch gefühlt und hatte ein schlechtes Gewissen. Bis ich im Bestseller „Komm, wie du willst“ der Autorin und Sexualwissenschaftlerin Emily Nagoski vom „Responsiven Typ“ gelesen haben.
Der responsive Typ kennt spontanes Verlangen gar nicht. Im Kaffeehaus beobachtet er einfach die Leute – ohne in Wallung zu kommen. Auf der Straße schlägt er den Kragen hoch, wenn der Wind tost – ein Gedanke an Sex kommt nicht auf.
Wie entsteht Verlangen beim responsiven Typ?
Das Verlangen kommt beim responsiven oder reagierenden Typ als Reaktion auf Stimulation. Es entsteht nicht durch Erwartung auf Sex, sondern im sexuellen Tun.
Erinnere dich an meine Einleitung: Lust ist der Wunsch, Sex zu haben. Erregung sind hingegen körperliche Symptome. Beim responsiven Typ passieren Lust und Erregung fast gleichzeitig.
Also beim Knutschen oder Kuscheln, wenn man massiert oder gestreichelt wird, dann erwacht der Gedanke: „Ich habe Lust auf mehr“. Es entsteht ein reges Interesse daran, die Dinge weiterzuführen.
Keiner der beiden Typen ist übrigens besser oder schlechter. Es ist wie bei Nike und Adidas, man ist entweder im einen oder im anderen Lager.
Woran erkennst du, dass du ein responsiver Typ bist?
Stell dir vor: Du hast dem Liebesspiel zugestimmt, obwohl du eigentlich nicht so recht in der richtigen Stimmung warst. Im Laufe des Akts hast du aber gedacht: „Das war jetzt doch ganz schön hot“. Klingt nach responsivem Typ, oder?
Das bedeutet, dass du erst dann “Fuck Yeah” zum Sex sagst, wenn du eigentlich schon mitten drin bist.
Warum ist der responsiven Lusttyp fast unbekannt?
Bislang ging die Wissenschaft immer davon aus: Frauen funktionieren wie Männer. Nur dass sie kleiner sind und keinen Penis haben. Doch je mehr die Wissenschaft sich nun auch den Frauen widmet, desto mehr wird klar: Die Annahme stimmt nicht. Frauen ticken anders.
Über 85 % der Frauen gehören nämlich zum „responsiven Typen“. Das heißt, ihre Lust, kommt beim Essen. Sie initiieren keinen Sex, aber wenn sie sexuelle Handlung erleben, die ihnen gefallen, dann stellt sich Lust auf mehr ein.
Du bist okay, so wie du liebst
Wir dürfen also getrost folgende Glaubenssätze über Bord werfen:
- Mit mir stimmt was nicht
- Ich bin schuld
- Ich bin frigide
Die Wahrheit ist:
- Viele Frauen haben nicht spontan Lust auf Sex.
- Sie initiieren daher keinen Sex.
- Sie machen nicht den ersten Schritt und verführen.
Wie nun mit dem responsiven Typen umgehen?
Am besten redest du mit deinem Partner über responsive Lusttypen und erklärst ihm, dass du anders tickst.
Für dich fängt es an, lustvoll zu werden, wenn du mitten dabei bist.
Wenn dein Partner sich mehr Sex wünscht, dann sollte er also mehr Situationen schaffen, wo ihr euch körperlich nahekommt.
Aber Achtung:
- Es gilt, einen ansprechenden Raum zu schaffen – ohne Druck aufzubauen.
- Welche Arten von Intimität euch dabei behilflich sind.
- „Body-Time“ kann einen guten Rahmen für mehr schaffen.
- Ein Nein ist ein Nein.
- Druck, Erwartung und Schnell-Schnell sind die größten Lustkiller
Tipps für den Spontanen Typ
- Genießt seine Lust.
- Überlegt, wie er die andere später verführen kann.
- Geht es sanft und sinnlich an, damit der Funke zünden kann.
- Genießt es, wie das Feuer sanft entfacht und das erste Stöhnen zu hören ist.
- Achtet darauf, ob die andere Person weitergehen will.
- Schenkt ihr die Entscheidungsfreiheit: Es ist auch okay, wenn wir nicht weitermachen.
- Er wartet auf ihr Ja oder Nein.
- Wenn es ein Ja gibt, dann gießt er sachte immer mehr von seiner Lust ins Feuer, bis beide in Flammen stehen.
Tipps für den responsiven Typ
- Lässt sich auf die ersten Avancen ein
- Nimmt sich den Raum, es langsam anzugehen.
- Genießt es, geküsst zu werden, gestreichelt und liebkost.
- Wenn der Lust-Motor anspringt, geht er weiter.
- Wenn der Motor nicht anspringt, sagt er leise etwas wie: „Ich liebe dich, aber mein Motor stottert heute. Ist es okay, wenn wir noch ein bisschen knutschen und kuscheln?“
- Er bleibt sich und seiner Lust/Nicht-Lust treu.
Tina Molin arbeitet seit über 20 Jahren als Journalistin. Dann wurde sie Mutter – und plötzlich war ihre Lust weg. Daraus folgte der Blog „Happy Vagina“ und das Interesse an weiblicher Sexualität & Lust. Im Mai 2021 erschien ihr Buch „Endlich wieder Lust auf Sex“ (Goldmann Verlag). Tina arbeitet als Mentorin und begleitet Frauen in ihr lustvolles Leben. Sie schreibt die Kolumne „Sex ab 40“ für Stern und lebt mit Mann und Kind in Berlin. (Foto: Verena Berg)