Nina Hannemann hat überraschend die Diagnose HPV bekommen. Für sie brach erstmal eine Welt zusammen. Heute klärt sie u. a. über Humane Papillomviren auf. Im Interview verrät sie Tipps und Tricks – und erklärt, warum du dich dafür nicht schämen musst.

Liebe Nina, wie hast du von deiner HPV-Erkrankung erfahren?

Ich war zu einem Routinebesuch bei meinem Frauenarzt und er hat ein HPV-Screening gemacht. Das gehört wohl alle paar Jahre mit dazu, doch das Ergebnis war nicht gut:

  1. Ich hatte gleich mehrere Hochrisikotypen von HPV und somit ein erhöhtes Risiko für Gebärmutterhalskrebs
  2. Ich erfuhr, dass es keine Möglichkeiten gibt die Infektion zu behandeln oder zu heilen.
  3. Dass ich nun regelmäßig vorbeikommen solle, damit wir Zellveränderung früh erkennen und rechtzeitig reagieren können, sollte sich bei mir wirklich Gebärmutterhalskrebs entwickeln.

Schockdiagnose HPV

Das war bestimmt ein Schock für dich?

Ehrlich gesagt, habe ich es überhaupt nicht verstanden. Ich wusste nicht einmal, wofür HPV steht und habe die ganze Zeit nur gedacht: „Ich will doch mal Kinder haben, was ist, wenn ich wirklich Gebärmutterhalskrebs bekomme?“ Ich war 23 Jahre alt und zu dem Zeitpunkt seit drei Jahren in einer festen Beziehung. Ich hatte so viel Fragen, die ich nicht gestellt habe:

  • Warum habe ich nicht besser aufgepasst?
  • Hat mein Freund mich betrogen?
  • Warum weiß ich so wenig über HPV?
  • Warum habe ich mich nicht impfen lassen, als es die Chance dazu gab?
  • WAS IST, WENN ICH WIRKLICH KREBS BEKOMME?

Wie hast du dich nach dem Besuch gefühlt?

Die paar Informationen, die ich hatte, haben ein Horrorszenario in mir entstehen lassen, welches wenig mit der Realität zu tun hatte. Ich fühlte mich ausgeliefert, verraten und irgendwie habe ich mich auch total geschämt. Ich habe jetzt eine Geschlechtskrankheit (Abkürzung STI)! Wie sage ich es meinem Freund? Oder habe ich es vielleicht von ihm?

Erstes Know-how über HPV

Du hast dich dann intensiv mit dem Thema beschäftigt, was hast du über HPV gelernt?

Erst als ich mich wirklich darüber informiert und Antworten auf meine Fragen bekommen habe, konnte ich mich etwas entspannen:

  • Nein, die Infektion bedeutet nicht zwangsläufig, dass mein Freund mich betrogen hat
  • Nein, ein Kondom reicht nicht um sich zu schützen und
  • Sich zu infizieren ist nicht auf Dummheit und Leichtsinnigkeit zurückzuführen
  • Nein, eine Impfung schützt auch nicht zu 100 % und
  • Nein, ein positiver HPV-Test bedeutet nicht gleich Krebs

Wissen ist Macht – das habe ich oft gehört, aber da zum ersten Mal wirklich verstanden. Durch jede Information, die ich über HPV bekam, bekam ich die Kontrolle zurück. 

Was ist HPV überhaupt?

Humane Papillomviren, abgekürzt HPV, zählen zu den häufigsten durch Intimkontakte übertragenen Viren. Es gibt mehr als 200 verschiedene Virustypen. Einige dieser Viren sind für die Bildung von gutartigen Feigwarzen an den Genitalien verantwortlich. Diese nennt man „Niedrigrisiko-Typen“.

Andere, die sogenannten „Hochrisiko-Typen“, sind maßgeblich an der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs und weiteren Krebsarten an Vulva, Vagina, Anus, im Mund-Rachenbereich oder am Penis beteiligt. In den meisten Fällen heilt eine HPV-Infektion allerdings ohne Therapie und negative Folgen aus. Man bemerkt sie nicht einmal, da sie in den meisten Fällen völlig symptomfrei verläuft.

Wie weit ist die Krankheit verbreitet?

  1. Rund 80 % aller Menschen (jeden Geschlechts) infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit HPV.
  2. Bei 90% der Infizierten heilt die HPV-Infektion in einem Zeitraum von bis zu 2 Jahren aus, da unser Immunsystem die Viren bekämpft.Etwa 10% der betroffenen Frauen bleiben dauerhaft infiziert und können Zellveränderungen am Gebärmutterhals entwickeln. Aber auch Männer können als Folgen von HPV von Peniskrebs, Analkrebs oder Kopf-Hals-Tumore betroffen sein.
  3. Nur etwa 1-3% dieser Zellveränderungen entwickeln sich über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren zu einem Gebärmutterhalskrebs.
  4. Laut RKI erkranken in Deutschland jährlich etwa 6.250 Frauen und ca. 1.600 Männer an HPV-bedingten Krebsarten. Außerdem erkranken jedes Jahr in Deutschland etwa 120.000 Menschen an HPV bedingten Genitalwarzen.

Wie wird HPV übertragen?

Das geht recht schnell, denn es gibt viele Übertragungswege wie beispielsweise durch bloßen Hautkontakt. Das gilt besonders für jene Erreger, die harmlose Hautwarzen (Papillome) hervorrufen.

Doch hauptsächlich überträgt man HPV-Typen durch den Geschlechtsverkehr. Bereits kleine Mengen virushaltiger Körperflüssigkeiten oder winzige Hautschüppchen reichen für eine Weitergabe aus.

Kann man sich davor schützen?

Ein wirklich wirksamer Schutz gegen HPV ist tatsächlich nur die Enthaltsamkeit … Trotzdem reduziert Safer Sex mit Kondomen die Ansteckungsgefahr erheblich. Ich empfehle zusätzlich regelmäßiges Testen.

Kann HPV geheilt werden?

Eine Behandlung, die sich gegen HP-Viren richtet, gibt es bisher leider nicht wirklich. Meist heilen die Infektionen von alleine aus, da die Immunzellen die HP-Viren bekämpfen und abtöten. Ein gesundes Immunsystem ist also laut Allgemeinmedizin die einzig mögliche Heilung.

Inzwischen gibt es eine HPV-Impfung. Was hälst du davon?

Eine HPV-Impfung schützt nicht vor allen 200 bekannten HP-Viren. Sie schützt aber dennoch vor den HP-Viren, die am häufigsten Gebärmutterhalskrebs auslösen. Das bedeutet nicht, dass man nach einer Impfung nicht mehr an HPV bedingten Krebsarten erkranken kann, aber zumindest, dass das Risiko dafür erheblich geringer ist.

Was rätst du Betroffenen?

Einige ganz wichtige Sachen möchte ich unbedingt mit auf den Weg geben:

  1. Nichts ist wirklich so schlimm, wie du gerade denkst
  2. Du bist nicht alleine damit
  3. Es gibt mittlerweile unzählige Anlauf- und Beratungsstellen, die dich über HPV-Infektionen informieren und aufklären
  4. Auch wir von Horny Hive klären auf und stehen für alle Fragen rund um Safer Sex und STI zu Verfügung.
  5. Millionen Menschen in Deutschland infizieren sich mit Geschlechtskrankheiten. Das ist nichts, wofür du dich schämen musst
  6. Je früher man die Infektion entdeckt desto größer sind die Chancen, dass man sie auch ohne Spätfolgen wieder loswird.

Muss ich meine Sexpartner:innen über eine HPV-Infektion informieren?

Ich habe diese Frage meinem Frauenarzt gestellt: Seine Antwort kam schnell und lautete „Nein“. Er sagte mir, dass die meisten Menschen bereits diese Infektion in sich tragen und nur bei den allerwenigsten Symptome oder Folgen auftreten.

Ich bin mit dieser Antwort nicht wirklich zufrieden. Darüber zu reden, ist sicher nicht romantisch und kann auch mal die Stimmung killen, aber jeder sollte wissen, worauf er oder sie sich einlässt.

Unser Lesetipp: Reden ohne zu streiten: Das Zwiegespräch

Können auch Männer HPV bekommen?

Kurz und knackig – ganz klar ja!

Männer infizieren sich sogar noch häufiger mit HPV als Frauen. Allerdings sind sie auch deutlich seltener von HPV bedingten Krebsarten betroffen.

Zu Nina Hannemann:
Nina ist Coach, Sexualberaterin und die Gründerin von Horny Hive. Die Hamburgerin möchte mit Horny Hive über STI (sexuell übertragbare Infektionen) aufklären und dem Tabuthema eine Bühne geben. Neben einem umfangreichen Aufklärungsangebot bekommt man bei Horny Hive Selbsttests für Zuhause, um sich präventiv und einfach auf STI testen zu können.