Kürzlich hat mir eine Freundin ihr Leid beim Online-Dating geklagt. Gruselige Fotos, hirnlose Anmachen, Dic-Pics und immer wieder Ghosting. Clémentine Lalande ist COO bei Once. Die Dating-App legt Wert auf Achtsamkeit beim Dating. Hier beantwortet sie Fragen zum Daten und gibt wertvolle Tipps, um erfolgreich jemanden kennezulernen.
Was sind die Hauptgründe, eine Datingplattform zu nutzen?
Der Hauptgrund, Datingplattformen zu nutzen, ist sicher Einsamkeit. Die meisten Nutzer*innen wollen einfach nicht mehr alleine sein, sondern suchen nach einem Partner oder einer Partnerin. Unterschiedlich sind eher die Herangehensweisen. Die einen starten mit einem heißen Flirt und einer sexuellen Begegnung. Andere wollen es lieber langsam angehen und das Gegenüber gut kennenlernen, bevor es zu einem ersten (sexuellen) Kontakt kommt. Allerdings, dass hören wir oft von neuen User*innen, die zu Once kommen, sind viele Online-Dating-Nutzer enttäuscht von zahlreichen virtuellen Übergriffen, Stichwort „unsolicited pictures“, die „Schwanzpics“. Viele Frauen fühlen sich davon abgestoßen. Zu Recht, wie ich finde. Es sollte allen Beteiligten beim Online-Dating klar sein, dass es um ein gegenseitiges Kennenlernen und nicht um Pornografie geht.
Sind die Beweggründe von Männern und Frauen beim Online-Dating unterschiedlich?
Die Beweggründe für Dating sind nicht unterschiedlich: Es wird ein Partner gesucht. Wir müssen aber feststellen, und nicht zuletzt hat #metoo das auch bestätigt, dass Frauen in einer anderen Situation sind, wenn es um das Thema Dating geht. Ich gebe immer folgendes Beispiel: Verglichen mit Frauen, wie oft geben Männer ihren Kumpels Bescheid, dass sie sich zu einem Date mit einer fremden Frau treffen, hinterlassen womöglich Uhrzeit und Treffpunkt und sagen, wann sie sich nach dem Date wieder zurückmelden. Eher selten. Meist sind Frauen die Opfer von Gewaltverbrechen in Dating-Situationen. Deshalb haben wir das Feature „Rate your Date“ eingeführt, um mit Transparenz ein gewisses Sicherheitsgefühl zu geben, wenn sich Frauen für ein Date auf Once entscheiden. Sie sehen, dass der sympathische Typ, den sie treffen wollen, scheinbar echt nett ist, auch wenn er nicht der perfekte Mann für die anderen Dates war. Das schafft Vertrauen in die Situation ‚erstes Date‘.
Oft verstehen wir das Verhalten des Matches nicht. Ein Beispiel: Man chattet lange und beschließt dann, sich zu treffen, doch der Mann betreibt plötzlich Ghosting. Wie ist dieses Phänomen zu erklären?
Ghosting gibt es genauso vonseiten der Frauen und es gibt nicht die eine Erklärung. Ghosting , also das abrupte Abbrechen eines vermeintlich vielversprechenden Kontakts, kann zum Beispiel passieren, wenn das Gegenüber gar nicht die Person war, für die sie sich ausgegeben hat. Thema Fake Profile oder Romance Scam. Wenn es dann zu einem echten Treffen kommen soll, ist er oder sie auf einmal von der Bildfläche verschwunden. Genauso kann Ghosting aber auch eine Reaktion von denen sein, die nicht den Mut finden zu sagen, dass es einfach nicht passt. Lieber verkriechen sie sich und reagieren gar nicht mehr, als dass sie sich der Situation aussetzen würden, den Kontakt bewusst zu beenden.
Noch ein Klassiker: Die wenigsten Männer, sagen WARUM die Frau ihre Zeit opfern soll, um sie zu treffen. Die Männer beschreiben nicht, wie witzig, sexy oder schlau sie sind. Ist das Arroganz oder Ahnungslosigkeit?
Ist das so? Ich glaube, wir sollten die Herren der Schöpfung nicht pauschal verurteilen. Unterschiedliche Menschen daten ganz unterschiedlich. Da gibt es die Romantiker, die Aufreißer, die Charmeure, aber auch die Schüchternen und viele andere mehr. Auch das ist bei Frauen und Männern doch sehr ähnlich. Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir als Frauen unser Glück auch selbst bestimmen. Wenn er nicht beschreibt wie witzig, sexy oder schlau er sein kann, was hindert uns daran, nicht genau danach zu fragen? Was haben uns all die Diskussionen um die Gleichberechtigung von Frauen gebracht, wenn wir uns nicht einmal trauen, genau das zu fragen, was uns am Gegenüber interessiert? Wir sollten den Mut haben Männern zu sagen, was wir wollen. Das beginnt beim Kennenlernen. Aber um die Frage zu beantworten: Ich denke, es ist weder Arroganz noch Ahnungslosigkeit. Es ist vielmehr eine Frage, unter welchen Umständen, also mit welcher Dynamik, das Kennenlernen begonnen hat.
Oder sind Chatten und Daten bloß noch Unterhaltung?
Tatsächlich müssen wir feststellen, dass viele Nutzer von Datingportalen und -Apps die Nutzung als „unterhaltsam“ beschreiben. In einer Studie im 3. Quartal 2018 haben wir herausgefunden, dass 41 % der Deutschen die Nutzung von diversen Dating-Apps „unterhaltsam“ finden, 28 % meinen sie sind „spaßig“. Ob auf diese Art und Weise der App-Nutzung allerdings wirklich ein Partner gefunden werden kann, lässt sich bezweifeln. Es scheint Online-Dating ist an vielen Stellen sehr beliebig geworden.
Liegt es an dieser Beliebigkeit, dass die Vorlieben der Frauen schon mal komplett ignoriert werden. Wünsche zu Alter, Wohnort oder Geschlecht werden schlicht weg überlesen … Wie kommt das?
Viele Apps basieren darauf, dass sehr schnell von einem zum nächsten Profil gewechselt werden kann. Daraus ist eine regelreche Swipe-Hysterie geworden. Es wird sehr oberflächlich entschieden, ob er oder sie passt. Da geht es nur um den ersten Eindruck. Hot or not. Da bleibt keine Zeit Details des Profils zu lesen. Natürlich können durch Glückstreffer auch auf diese Art und Weise tolle Kontakte entstehen. Sich optisch sympathisch zu finden, schließt eben nicht aus, auch die inneren Werte kennen und lieben zu lernen. Doch geht auch sehr viel Potenzial durch diese schnelle oberflächliche Entscheidung innerhalb von Sekundenbruchteilen für oder gegen ein Date verloren. Denn vielleicht wäre sie oder er der perfekte Partner fürs Leben gewesen, wenn auch nicht optisch sofort der absolute Traumtyp.
Ist dieses Verhalten, die Swipe-Hysterie, typisch männlich?
Studien zeigen, dass Männer durchaus stärker auf optische Reize reagieren und Frauen doch eher nach Eigenschaften suchen, die einen charakterlich starken Mann ausmachen. Doch mal ehrlich, eine trainierte Brust, kräftige Oberarme oder dieses verdammt süße Grübchen am Kinn lassen doch auch uns Frauen oft sämtliche Konventionen und guten Vorsätze vergessen.
Flirten andere Nationalitäten online besser als die Deutschen?
Besser? Nein. Anders, ja. Ich als Französin erlaube mir aber mal einen Tipp: Deutsche Männer dürfen gerne etwas romantischer und weniger schüchtern sein. Nein, wir brauchen keine Machos, aber jede Frau – und auch jeder Mann! – hört gerne ein nettes und vor allem ehrliches Kompliment.
Welche Fehler werden noch häufig gemacht. Und wie geht’s besser?
Mein Tipp für das Online-Date: Verhalte dich so wie in der realen Welt: Wer nicht an einer Bar die Hose runterlassen und sein vermeintlich bestes Stück präsentieren würde, sollte das auch nicht online tun, um zu imponieren. Aber der Rat gilt auch für die Ladys: Seid authentisch. Rekelt euch nicht für ein Selfie, nur um zu gefallen. Seid natürlich, denn so werdet ihr auch beim ersten Date wahrgenommen.
Apropos Bilder! Monster, Mumien und Mutationen. Können Männer nicht fotografieren?
Sagen wir mal so, manche Männer haben kein Händchen für Ästhetik. Doch auch da sage ich wieder: Frauen seid mutig! Sagt doch einfach ehrlich, was euch gefällt und was nicht.
Datingplattformen werden häufig auf dem Klo und im Bett genutzt. Da liegt die Vermutung nahe, dass die Fotos der Frauen als „Inspiration“ genutzt werden…
Zur „Inspiration“ gibt es keine Zahlen, allerdings stimmt es, dass 15 % der Deutschen nach eigenen Angaben mobile Dating-Apps auf der Toilette und ganze 37 % vom Bett aus nutzen.
Welchen Top-Tipp würdest du zum Schluss noch den männlichen Nutzern von ONCE geben?
Gebt euch einfach ein bisschen Mühe. Wie gesagt: Verhaltet euch so, als würdet ihr sie im realen Leben treffen. Seid Gentlemen, seid mutig aber nicht forsch. Wir lieben Komplimente – wie ihr ja auch. Und fragt doch mal einfach einen Kumpel oder eine gute Freundin, ob sie nicht ein tolles Foto von euch knipsen kann. Gute Freunde geben ehrliche Feedbacks zu Fotos, helfen dabei euch ins beste Licht zu rücken. Und bitte lasst die Hosen zu. Wenn wir mehr von euch sehen wollen, werden wir es euch wissen lassen.
Tina Molin arbeitet seit über 20 Jahren als Journalistin. Dann wurde sie Mutter – und plötzlich war ihre Lust weg. Daraus folgte der Blog „Happy Vagina“ und das Interesse an weiblicher Sexualität & Lust. Im Mai 2021 erschien ihr Buch „Endlich wieder Lust auf Sex“ (Goldmann Verlag). Tina arbeitet als Mentorin und begleitet Frauen in ihr lustvolles Leben. Sie schreibt die Kolumne „Sex ab 40“ für Stern und lebt mit Mann und Kind in Berlin. (Foto: Verena Berg)