Endo- was? So reagieren viele auf den Namen der Erkrankung, die nur Frauen plagt. Obwohl diese gar nicht so selten vorkommt, 1 von 10 Frauen ist davon betroffen, verkennen viele Ärzt:innen die Symptome, die auf den ersten Blick denen einer schmerzhaften Periodenblutung ähneln. Doch Endometriose ist um einiges schlimmer.

Schon sehr früh fing ich an, die Pille zu nehmen. Im Nachhinein betrachtet, war das ironischerweise ziemliches Glück für die Entwicklung meiner ständigen Begleiterin: Endometriose. 

Der Beginn von Endometriose

Mit Mitte 20 setzte ich die Pille nach vielen Jahren ab. Ich war in einer glücklichen Beziehung und wir wünschten uns ein Kind. Es passierte lange Zeit nichts. Ich nutzte die App „Clue“, um meinen Eisprung und die fruchtbaren Tage einzugrenzen, um schneller schwanger zu werden.

Zur gleichen Zeit begann es, dass ich immer häufiger krank war. Entweder hatte ich mit Durchfall oder Verstopfung zu kämpfen, übergab mich häufig nach dem Essen, war fürchterlich launisch, ständig müde, abgekämpft und hab wirklich jede noch so blöde Krankheit bekommen. Zwei Mal war es Mundfäule, einmal Gürtelrose, quasi monatlich hatte ich eine schwere Erkältung und dazu kamen unerklärliche Schmerzen in allen möglichen Körperteilen. 

Endometriose: Rasierklingen im Unterbauch

Besonders schlimm wurde es eine oder zwei Wochen vor dem Einsetzen meiner Periode. Von Monat zu Monat wurden die Schmerzen schlimmer. Die Schmerzen vergleiche ich mit 1. einem Ninja, der mit Rasierklingen in meinem Unterleib übt oder 2. einem Pürierstab, der gegen meine Bauchdecke drückt. Meine Tage wurden außerdem so stark, dass ich die größten Tampons alle zehn Minuten wechseln musste. Ich blutete aus.

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Ja, ich will

Der lange Weg bis zur Diagnose

Dann begann, was viele Betroffene kennen: der lange Weg zur Diagnose. Durchschnittlich dauert es sieben Jahre, bis Endometriose erkannt wird. Ich rannte von Ärzt:in zu Ärzt:in und nirgends wurde ich ernst genommen – Regelschmerzen seien „normal“ und ich nur eine wehleidige Hypochonderin. Dass ich Todesqualen litt und mich selbst nicht mehr erkannte, interessierte keinen.

Bis dahin hatte ich von Endometriose noch nie gehört. Da mir von ärztlicher Seite niemand helfen konnte, ich aber nicht einfach hinnehmen wollte, was mit mir passierte, fing ich selbst an zu recherchieren. Nach einer Weile stieß ich auf des Rätsels Lösung: Endometriose – eine chronische Gebärmutterschleimhautentzündung. Bei dieser Krankheit setzt sich gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter im Körper fest, was zu kleinen Wucherungen führt, die starke Schmerzen verursachen und oftmals Probleme mit den Organen verursacht. Die entzündlichen Herde können im ganzen Körper auftreten. 

Nur eine Bauchspiegelung bringt Gewissheit

Endometriose schien die Lösung zu sein und erklärte alle Symptome, die ich während der ganzen Jahren hatte. Die Krux an der Sache: Endometriose kann nur durch eine Bauchspiegelung, also einen operativen Eingriff, erkannt werden. Das Gewebe muss biopsiert und untersucht werden, damit die Diagnose eindeutig ist. Der Eingriff bestätigte meinen Verdacht, doch gleichzeitig wurde mir auch noch halb in Narkose vor die Füße geknallt, dass ich meinen Wunsch, Mutter zu werden, vergessen könne. Meine Eileiter seien zu verwachsen und undurchlässig wegen der Wucherungen. Sanierung nicht möglich. Einerseits fiel mir ein Stein vom Herzen, weil ich nun endlich wusste, was mit mir los ist, aber gleichzeitig brach meine komplette Welt zusammen.

Endometiose und Kinderwunsch

Das Leben kurz nach der OP war schlimm – ich konnte nichts allein: nicht laufen, nicht liegen, nicht selbstständig auf die Toilette und mir den Po abwischen. Einige Zeit danach trennten mein Freund und ich uns. Ich wollte es mit künstlicher Befruchtung probieren, er nicht. Glück im Unglück: Ich lernte kurz darauf einen tollen Mann kennen und wir heirateten – aus Liebe und um Unterstützung bei der Krankenkasse für die In-Vitro-Fertilisationen (künstliche Befruchtung) zu bekommen. 

Mein Leben mit der Krankheit

Während der fünf erfolglosen künstlichen Befruchtungen ging es mir körperlich erstmal etwas besser. Ich vermute, es lag an den Hormonen, die das Wachstum der Wucherungen stoppten. Dennoch ist die ständige Belastung der Krankheit sowohl psychisch als auch körperlich extrem.

Ich leide am chronischen Müdigkeitssyndrom, brauche viel Schlaf und kann nicht mehr als vier Stunden am Tag wirklich arbeiten. Gemeinerweise bekomme ich sehr oft einen aufgeblähten Bauch, der mich aussehen lässt, als wäre ich mindestens im siebten Monat schwanger. Bisher konnte ich noch nicht wirklich rausfinden, wodurch genau das ausgelöst wird, weiß aber, dass es mit dem Essen zu tun hat. Was genau ich nicht vertrage, ändert sich aber ständig. 

Endometriose nicht nur während der Periode

Wer wie viele Ärzt:innen denkt, Endometriose wäre nur ein Problem vor dem Einsetzen der Periode, hat Unrecht. Die Schmerzattacken sind teilweise monatelang durchgängig. Ich bin schon häufig mitten auf der Straße zusammengebrochen und konnte nicht mehr weiterlaufen, lag zitternd und in Embryonalstellung auf dem Boden und alle sind an mir vorbeigelaufen.

Vielleicht dachten sie, ich sei ein Junkie und selbst Schuld oder hatten einfach keinen Bock, sich zu kümmern. Manchmal übergebe ich mich mitten beim Laufen oder werde vor Schmerzen ohnmächtig. Öfter schon habe ich gedacht: „Mist, dass du im ersten Stock lebst, da kannst du nicht aus dem Fenster springen, um das Ganze zu beenden!“. 

Eine der 20 schmerzhaftesten Krankheiten

An Schmerzen stirbt man nicht. Oft genug fühlt es sich aber so an. Endometriose wurde als eine der 20 schmerzhaftesten Krankheiten kategorisiert. Warum zum Teufel wird dann nicht daran geforscht??? Mit einem anspruchsvollen Job in einer PR-Agentur, dem Psychodruck der künstlichen Befruchtungen und ständig neuen Symptomen ist es kein Wunder, dass alles irgendwann zu viel wurde. Ich bekam ein Burn-Out, wurde in der Psychiatrie behandelt, kündigte meinen Job, mein Mann und ich trennten uns. Der komplette Tiefpunkt! 

Im persönlichen und beruflichen Umfeld stößt man oft auf Unverständnis oder aber auf Ratschläge, die zwar vielleicht gut gemeint, aber nicht hilfreich sind. Ein ernstgemeintes: „Das alles ist eine riesige Scheiße und du bist eine starke Frau, weil du das aushälst“, ist eigentlich alles, was nötig wäre, um sich ernst genommen und verstanden zu fühlen. Denn wenn ich mittlerweile eine Sache weiß: Ich bin stark! Und nicht nur ich, sondern alle, die an dieser bisher so unerforschten Krankheit leiden. Wir sind Kämpferinnen und das jeden Tag! 

Das Leben mit der Krankheit erleichtern

Diese Erkenntnis habe ich allerdings erst erlangt, als ich endlich eine Ärztin getroffen habe, die sich mit Endometriose auskennt. Ich saß weinend vor ihr, als sie mich untersuchte, schon mit den Händen die Wucherungen fühlen konnte und mir sagte, dass es ein Wunder sei, dass ich überhaupt noch gerade laufen kann. Ich sei stark und man könne Endometriose zwar nicht heilen, aber es gebe Mittel und Wege, um das Leben mit dieser Krankheit zu erleichtern.

Und siehe da, mittlerweile habe ich einiges in meinem Leben geändert und führe zwar ein eingeschränktes Leben, aber es ist wieder lebenswerter – zumindest meistens. Wichtig für alle, die aufgrund ihrer permanenten Schmerzen, durchgehender Müdigkeit, starken Blutungen und Verdauungsstörungen glauben, Endometriose zu haben: Es ist nicht bei allen Frauen gleichermaßen ausgeprägt. Manche haben Endo, aber merken es gar nicht und nicht immer ist Unfruchtbarkeit eine Konsequenz.

Was mir hilft mit meiner Endometriose

Endometriose ist nicht heilbar, aber man kann einiges tun, um sich besser zu fühlen. Der erste Gang bei einem Verdacht sollte immer in eine Klinik oder Praxis führen, die auf Endometriose spezialisiert ist. Dort wird eine Bauchspiegelung gemacht, um herauszufinden, ob es wirklich Endo-Herde sind. Auf der Seite der Endometriose Vereinigung findet man Adressen in der Nähe.

Stress vermeiden 

Ich hatte einen stressigen Agenturjob, viele Projekte nebenher und auch sonst immer eher zu viel als zu wenig zu tun. Ich merke allerdings, dass sich Stress, auch positiver Stress, negativ auf meine Symptome auswirkt. Als ich mich selbstständig gemacht habe, ging es mir schon viel besser. Ich kann mir meine Zeit selber einteilen und muss mir keine Sorgen machen, wenn ich es mal nicht ins Büro schaffe. Natürlich kann das nicht jede machen, aber kleine Auszeiten und „Me Time“ sind extrem wichtig. Ich verreise viel und habe im Urlaub seltener Schmerzen.

Frührente, Behindertenausweis, Therapie

Eine andere Möglichkeit ist die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises oder die Frührente – viele Betroffene beantragen beides und haben dadurch etwas mehr Ruhe. Eine Verhaltenstherapie hat ebenfalls geholfen, zu erkennen, was ich brauche, um entspannter und glücklicher zu sein. Es ist ein langer Weg, aber ein stressreduziertes Leben und auch mal Nein sagen, das lindert die Symptome.

Ernährung umstellen

Viele Frauen mit Endometriose haben Probleme mit der Ernährung. Meine Ärztin im Endometriosezentrum der Charité in Berlin riet mir zu histaminarmer Ernährung. Mir hat es tatsächlich geholfen, lange habe ich es jedoch nicht ausgehalten, weil man auf sehr, sehr viel verzichten muss. Allerdings sind die Ernährungstipps so vielfältig wie die Symptome und was mir hilft, muss nicht anderen helfen. Vielen hilft vegane Ernährung, andere verzichten auf Laktose, Zucker oder Gluten und fahren damit gut. Es hilft also nur ausprobieren und am besten selbst zu kochen. Esse ich draußen, weiß ich, dass mein Bauch sich aufblähen wird. 

Austausch mit anderen Betroffenen

Da frau häufig vergeblich auf Verständnis hofft, hilft es mir sehr, mich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Es gibt Facebook-Gruppen, Selbsthilfegruppen, aber natürlich auch Freundinnen, die betroffen sind. Auch heilsam ist, die immer häufiger aufkommenden Artikel in den Medien zu lesen. Wir sind nicht allein und verrückt auch nicht.

Schmerztherapie

Hat sich ein chronisches Schmerzsyndrom entwickelt, kann es helfen, eine Schmerztherapie zu beginnen. Ich habe sie von meiner Endometriose-Ärztin verschrieben bekommen, aber nie genutzt, da sich mein chronisches Schmerzsyndrom mit Stressreduktion aufgelöst hat.

Hormone

Traurig, aber wahr: Bisher ist die Pille, das einzige zugelassene Medikament gegen Endometriose. Durchgenommen verhindert sie, dass sich die Herde weiter ausbreiten. 

TCM/Osteopathie

Viele berichten, dass sie durch Akupunktur oder auch Osteopathie ihre Symptome lindern konnten. Mir hat es ehrlicherweise nicht geholfen, das heißt aber nicht, dass das allgemeingültig ist. Wie bei allen Tipps zu „Endo” heißt es: ausprobieren!

Bewegung

Ich kann nicht lange sitzen. Leichter Sport, das Stärken der Mitte des Körpers und Yoga helfen bei Endometriose. Liege ich gerade mit Schmerzen auf dem Boden, möchte ich mich natürlich nicht bewegen. In Ruhephasen überwinde ich mich zu Bauch- und Rückentraining, um die Core-Muskeln zu stärken.

Medikamente/CBD

Ich bekomme Opiate verschrieben, da nichts anderes hilft. Da ich wirklich ungern zu so harten Mitteln greifen möchte, die mich auch noch abhängig machen können, verzichte ich darauf. Die natürliche und ungefährlichere Maßnahme ist medizinisches Cannabis. Viele berichten, dass es ihnen hilft, zu kiffen. Ich selber mag es einfach überhaupt nicht und das CBD-Öl war mir nicht stark genug. Aber auch hier muss jede ausprobieren, was die persönlich beste Lösung ist.

Endometriose ist ein Chamäleon und so vielfältig wie die Betroffenen selbst. Daher sind auch alle Tipps extrem subjektiv. Was mir hilft, muss dir nicht helfen und andersrum. Was allerdings allgemeingültig ist, ist die Reduzierung von Stress und das Akzeptieren der Krankheit. Wer sich ständig ungerecht behandelt fühlt, wütend ist und sich gegen die Schmerzen wehrt, statt sie zuzulassen, wird „Endo” noch schlimmer empfinden. Ich verstehe diese Gefühle und hatte sie auch, aber ich möchte mir nicht mehr mein Leben von ihr diktieren lassen. Ich sehe sie als schlecht gelaunte Persönlichkeit, die in mir wohnt. Kommt sie raus, versuche ich extra lieb zu meinem Körper zu sein und sie etwas zu besänftigen.

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