Männer wollen Sex, Frauen wollen kuscheln. So lautet das Vorurteil. Doch wenn Frauen öfters, anders, wilder wollen als die Kerle, dann gelten sie als „versaut“. Es wird Zeit, mit diesen Sex-Klischees über Frauen aufzuräumen, findet unsere Autorin.
Gestern war ich mit einer Freundin Abendessen. Zwischen Pasta und Rotwein sagte sie: „Ich hatte echt schon lange keinen Sex mehr“. Sie ist zwar in einer Beziehung, die beiden wohnen auch zusammen, doch zum Liebesakt kommt es nicht. Schlichtweg, weil er keine Lust hatte. Sie erzählt weiter: „Wenn ich will, dann sagt er, ich sei zu versaut“.
Stopp! Ich muss hier mal mit Sex-Klischees über Frauen aufräumen
Ist Frau wirklich versaut, nur weil sie Sex will?
Oder provokanter formuliert: Ist frau automatisch versaut, wenn sie mehr Sex will als der Mann?
Dürfen nicht auch Frauen einfach gerne und oft Sex haben (wollen), ohne direkt abgestempelt zu werden?
Die Antwort ist denkbar einfach: Nein, dürfen sie nicht.
Zumindest noch nicht immer und überall.
Leider oft erlebt: Würde ihr Kerl öfter wollen, dann hätte auch sie zu wollen.
Aber um Gottes willen – sie kann doch nicht mehr wollen als er! Wo kommen wir denn da hin?
Ein Sex-Klischee über Frauen: Sie wollen nur kuscheln
Eine norwegische Studie fand heraus: „Frauen wollen kuscheln, Männern wollen Sex“. (Mehr lesen in diesem klasse Buch über Sex: „Viva La Vagina“117 ff.). Die Wissenschaftler:innen bestätigten damit ein altbekanntes Klischee über Frauen.
Doch selbst wenn es sich dabei nicht nur um ein Klischee, sondern um eine belegbare Tatsache handelt, heißt das noch lange nicht, dass diese auch auf jede zutreffen muss. Wir müssen hier dringend mit Klischees über Frauen aufräumen. Schließlich wissen wir, dass es so viele Abweichungen von der gesellschaftlichen Norm gibt. Und das Allermeiste ist normal: Also auch Frauen, die Sex wollen. Und sogar viel.
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Ja, ich will
Schluss mit dem Klischee! Auch Frauen sind „versaut“
Autorin Katja Lewina formulierte es einmal so treffend: „Überraschung! Frauen wollen auch ficken.“ (Das Zitat stammt aus ihrem Buch „Sie hat Bock“, S.35) Tatsächlich scheint das für viele eine Überraschung zu sein. Eine Frau, die mehr Verlangen hat – das kann es nicht geben.
Und auch Lewina führt passend dazu weiter aus: „Weibliche Sexualität als normaler Bestandteil des Lebens scheint in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu existieren. Entweder die vögelnde Alte ist völlig außer Rand und Band, und damit im gesellschaftlichen Abseits, oder sie bewegt sich innerhalb der Norm und tut es allerhöchstens mit dem Richtigen.“ Weibliches Begehren – was zum Teufel soll das sein, fragt die Autorin in ihrem Buch weiter.
Weitere Sex-Klischees über Frauen
- Frauen wollen nur Blümchensex
- (Zu) viel Sex „leiert“ eine Frau aus (LINK)
- Frauen kommen ohnehin nie zum Höhepunkt
- Frauen zu befriedigen, ist kompliziert
- Niemand will eine Frau mit einem hohen Body Count, also vielen vorherigen Liebhabern
- Den G-Punkt gibt es doch gar nicht
- Frauen sollen schüchtern und zurückhaltend im Bett sein
- Der Sex ist vorbei, wenn der Mann gekommen ist
- Frauen dürfen keinen Sex initiieren
Die Angst vor der „versauten“ Frau
Die Vorstellung, eine Frau könnte ein Verlangen auf Sex haben, ist für viele praktisch nicht existent. Ja, geradezu beängstigend. Hieße das doch, dass Frauen selbstbestimmt Sex haben könnten. Und zwar nicht mehr nur zur Lustbefriedigung ihres Partners, den sie lieben und ehren und dem sie bis an ihr Lebensende die Pantoffeln vor den angewärmten Lesesessel stellen, sondern – setzt euch hin und haltet euch fest – zum eigenen Vergnügen.
Aber doch: Gesellschaftliche Vorstellungen ändern sich, und so darf im Jahr 2023 allmählich auch durchsickern, dass es tatsächlich okay ist, wenn eine Frau viel Sex möchte, dass es nicht unschicklich oder nicht feminin genug ist, sondern einfach normal. Deshalb lasst uns mit den überholten Klischees über Frauen endlich aufräumen.
Das neue Normal: keine Sex-Klischees mehr
Denn: Normal ist alles, was die Grenzen eines anderen nicht überschreitet. Und solange meine Freundin nicht über ihren Partner herfällt, ohne dass er das möchte, ist an ihrem Verlangen nichts verkehrt. Vor allem aber ist daran nichts versaut.
Was bedeutet, dass es nicht nur in Ordnung ist, dass ihr Mann weniger Lust auf Sex hat, sondern dass es auch völlig in Ordnung ist, dass meine Freundin viel Lust hat.
In diesem Sinne prostete ich ihr entschieden mit dem Rotweinglas zu: „Du bist nicht versaut. Du bist einfach nur heiß. Und das darfst du auch sein.“
Jule Beck hat ursprünglich Germanistik studiert, ist aber derzeit im Umweltschutz tätig.
Durch ihre Begeisterung für Bücher stieß sie irgendwann auf das Thema Sexualität und Körper. Seitdem setzt sie sich immer mehr für einen offeneren Umgang ein, damit jede:r die Möglichkeit findet, Sexualität in ihrer ganzen Vielfalt ohne Scham aus- und erleben zu können.