Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es einen Lustbeschleuniger gibt. Finde heraus, was deine Lust auf Sex anturnt – und was sie bremst. Dr. Maya Fehling erklärt, welche Faktoren uns heiß werden lassen und warum der Ofen ausbleibt. 

Das Gehirn ist das größte und wichtigste Sex-Organ. In der geistigen Schaltzentrale gibt es sowohl einen Bremser und einen Beschleuniger für sexuelles Verhalten. Der Beschleuniger signalisiert dem Körper: “Das ist sexy … bitte mehr” und der Bremser sagt: “jetzt nicht”.

Herausgefunden haben das in den 90ern John Bancroft und Dr. Erick Janssen. Sie haben es das ‘Duale Kontrollmodell der sexuellen Antwort’ genannt. Das Modell beschreibt das zweiteilige System in uns, das bestimmt, ob wir auf Sex Lust haben oder nicht. 

Das Gehirn: Lustbeschleuniger- und bremse

Genau genommen scannt das Gehirn die Umwelt die ganze Zeit nach sexuell-relevantem Input, wie Geräusche, Gerüche oder visuellen Reizen und spuckt dann die sexuelle Antwort aus. Falls es einen sexuell-relevanten Reiz gibt, melden sich zwei „Stimmen“, die auf dich einreden können.

Die eine Stimme kommt vom Beschleuniger, dem sexuellen Erregungssystem. Wenn ein attraktiver Mann oder eine heiße Liebesszene den Beschleuniger anspricht, wird im Gehirn die Nachricht, „oh, das ist sexy“ verarbeitet und du kommst in Stimmung.

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Die Bremse hemmt die Lust

Die andere Stimme ertönt vom Bremser, dem sexuellen Hemmsystem. Wenn die Bremse stark aktiviert wird, schreit sie geradezu „jetzt nicht! Lass’ mich in Ruhe!“. 

Von der Bremse gibt es jedoch zwei Arten. 

  1. Zum einen die Bremse, die gezogen wird, wegen möglicher schlimmer Folgen. Das können sexuell übertragbare Krankheiten sein, eine ungewollte Schwangerschaft oder die Eltern, die im Zimmer nebenan sind und jederzeit reinkommen könnten. Die Bremse wird akut aktiviert.
  2. Die andere Bremse, ist die Angst beim Sex zu versagen. Also keinen Orgasmus zu erlangen, nicht feucht zu werden, keine gute Technik zu können oder nicht attraktiv zu sein. Diese Bremse wird eher dauerhaft angezogen.

Bremse vs. Beschleuniger

Diese zwei Stimmen, die Bremse und der Beschleuniger, können auch gleichzeitig aktiviert werden und es gewinnt am Ende, wer lauter ist. Ein Beispiel: Auf einer Party will dein Jugendschwarm mit dir ins Bett und du hast richtig Lust auf ihn. Du fühlst dich aber in deinem Körper nicht wohl und empfindest dich als unattraktiv. Das hemmt dich leider so sehr, dass du das Angebot ablehnst. 

Schuld an Lustlosigkeit ist meistens die Bremse

Eine verminderte sexuelle Lust kann also zwei Gründe haben: der Beschleuniger ist nicht sehr aktiv, sagt also nur ganz leise „ja, wäre schon nett“ oder die Bremse ist aktiviert und diese Stimme übertönt mit „ne, jetzt nicht“ jede Lust-Aktivierung. 

  1. Wenn man keine Lust hat, kann es daran liegen, dass der Beschleuniger zu wenig stimuliert wird. 
  2. Oder dass die Bremse zu viel stimuliert wird. 
  3. Viele glauben, dass eine verringerte Lust am Mangel an Beschleuniger liegt, also dass die Frau gar keine Lust hat. 
  4. Doch bei Frauen liegt es viel häufiger am aktivierten Bremssystem, also dass die Lust durch andere Faktoren gehemmt wird

Zwei Beispiele für Lustbeschleuniger und -bremse

Das Ganze lässt sich vielleicht am ehesten an zwei Beispielen erklären – Anna und Luisa, die sehr unterschiedliche Brems- und Beschleunigersysteme haben.

Anna: „Ja, ich hab’ Lust”

Anna hat einen empfindlichen Lustbeschleuniger und eine unempfindliche Bremse. 

Annas empfindlicher Beschleuniger reagiert auf alle möglichen Reize mit „Ja, ich habe Lust“ reagiert. Das unempfindliche Bremssystem ist wenig aktiv und sagt kaum mal „Ne, jetzt nicht!“. Anna ist also schnell und leicht sexuell erregbar und so gut wie nichts verhindert die Erregung. Das betrifft ca. 2-6% aller befragten Frauen. 

Das hört sich vielleicht für manche wünschenswert an, hat aber auch seine problematischen Seiten. Frauen, die hierunter fallen, nehmen mehr Risiken in Kauf als andere, sei es in Sachen ungewollte Schwangerschaften, Geschlechtskrankheiten, Sex mit Drogen und allgemein Situationen, die eventuell außer Kontrolle geraten können. Potenziell risikoreiche Situationen, die bei anderen die Alarmglocken läuten lassen und die Bremse stark aktivieren, können diese Frauen nicht immer erkennen. Und tatsächlich fühlen diese Frauen auch, dass sie nicht so sehr die Kontrolle haben. 

Luisa: „Nö, jetzt nicht“

Luisa hat eine sehr empfindliche Bremse und einen unempfindlichen Lustbeschleuniger.

Die Bremse ist also eher hyperaktiv und dauernd ertönt ein „Jetzt nicht!“, während der Beschleuniger eher phlegmatisch auf der Couch abhängt und nichts richtig geil findet. Eine solche Variante von Bremsen und Beschleuniger haben vermutlich ca. 1-4% der Frauen. 

Für Luisa ist es schwer, sexuell erregt zu werden, sie hat eher weniger Interesse an Sex und häufig Schwierigkeiten zum Orgasmus zu kommen. Luisas empfindliche Bremse kennt viele Gründe, warum es gerade nicht passt, sei es eine unbequeme Position, ein lauter Nachbar, kalte Füße oder die Sorge, zu lange zu brauchen, um erregt zu werden. Luisa muss sich sehr stark auf den Sex konzentrieren, um sich darauf einlassen zu können. Für sie muss alles stimmen, damit sie sexuell erregt wird.

Sexuelle Reize sind individuell und erlernt

Eine empfindliche Bremse, das heißt überall ertönt „Jetzt nicht! Keine Lust auf Sex!“ ist einer der stärksten Vorhersager von sexuellen Problemen aller Art. Die meisten Frauen liegen irgendwo im mittleren Bereich mit einer mittel-empfindlichen Bremse und einem mittel-empfindlichen Lustbeschleuniger.

Wir haben alle eine Bremse und einen Beschleuniger, aber wir haben verschieden ausgeprägte Empfindlichkeiten, die durch unterschiedliche Reize aktiviert werden können. Für manche mag Sex unter der Dusche den Beschleuniger sehr aktivieren, für jemanden, der vielleicht eine Wasserphobie hat, kann es die Bremse bis zum Anschlag aktivieren. 

Wann erlernt man sexuelle Bremsen?

Im Durchschnitt haben Männer einen aktiveren Lustbeschleuniger als Frauen. Im Gegensatz dazu sind bei Frauen im Durchschnitt die Bremsen empfindlicher. Warum wir empfindlichere Bremsen haben, ist schwierig zu erforschen. Ich persönlich glaube, dass es wesentlich von den gesellschaftlichen, kulturellen, medizinischen und moralischen Vorgaben abhängt, die uns häufig schon in unserer Kindheit vermittelt werden. 

Unsere Reaktionen auf sexuelle Reize haben wir meistens schon vor der Pubertät erlernt. Das heißt, oftmals ohne sie selbst bestimmt zu haben. Wenn einem kleinen Mädchen, das dabei gesehen wird, wie es seine Klitoris an einem Sofakissen reibt, gesagt wird, „hör damit auf, das gehört sich nicht“, kann daraus eben ein Auslöser der Bremse entstehen, wodurch die Masturbation oder die Stimulation der eigenen Klitoris während des Sexes mit etwas Negativem und Schlechtem verbunden wird.

Die stärkst Bremse ist Ekel

Einer der stärksten verankerten Bremsauslöser ist übrigens Ekel. Ekel ist ein sehr starker Vermeider. Schlimm ist es, wenn es den eigenen Körper oder Körperflüssigkeiten betrifft. Es kann dabei um das eigene Körperbild gehen (z. B. zu dick, zu kleine Brüste, zu große Vulvalippen) oder um Sexpraktiken, die mit Körperflüssigkeiten zu tun haben, wie Oral- oder Analsex. 

Irgendwann haben wir von Mitschüler*innen, Eltern, anderen Personen oder durch die Medien gelernt, dass dies oder jenes „schmutzig“ oder „eklig“ ist. Wenn das einmal vorkommt, mag es keinen Einfluss haben, aber wenn es häufiger ist schon. Wir lernen schließlich durch Vorbilder.

Sind Bremse und Beschleuniger beeinflussbar?

Jede Frau hat eine Lustbremse und einen Lustbeschleuniger, das kann man nicht ändern, aber dessen Ausprägung, also wie sensibel es reagiert. Wenn Frau sich ihrer Bremse bewusst ist, lässt sich diese oft leichter ertragen. Darüber hinaus – und das ist die großartige Nachricht – kann Frau die Reize erforschen und z. B. die Bremsauslöser aktiv beeinflussen. Wenn z. B. für Luisa die Angst vor Schwangerschaft ein großer Auslöser ihrer Bremse darstellt, kann Luisa beeinflussen, wie sehr sie das hemmt, Lust auf Sex zu haben. Sie kann sich z. B. mit ihrem Zyklus beschäftigt, die verschiedenen Optionen an Verhütungsmittel kennt und abwägt, was für sie die beste Wahl ist. Am besten mit ihrer/m Partner:in zusammen.

Jede Frau kann – insofern sie das möchte – Reize, die die Bremse aktivieren, reduzieren und Reize, die sexuell erregend wirken, verstärken. Manchmal ist das leichter gesagt als getan, z. B. wenn es um das eigene Körperbild geht. Leider drückt die Unzufriedenheit über den eigenen Körper bei vielen Frauen auf die Bremse und ist damit ein wichtiger Lusthemmer. Hier gilt es, sich wieder mit dem eigenen Körper anzufreunden. Es ist wirklich wert, sich dieser (Körper)arbeit zu widmen.

Dr. Maya Fehling und ihr Start-up being female sammelt echte Erfahrungen von Frauen. Hier findest du eine Story zu: Lustbeschleuniger https://www.beingfemale.de/storyblog/jana-42-lust

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