Fantasien sind nichts, wofür Frau sich schämen muss. Selbst, wenn sie manchmal krass sind.
Ich sitze im Büro und sehe unseren gut aussehenden neuen Chef an mir vorbeigehen. Etwas an seinem Blick jagt mir einen wohligen Schauer über den Rücken und meine Brustwarzen werden hart. Was dieser Mann wohl alles mit mir anstellen könnte? Mir wird heiß und plötzlich geht meine Sexfantasie schamlos mit mir durch … Ich stelle mir vor, dass er mich ruft in sein Büro ruft, mein Nein nicht akzeptiert, sondern mich hart auf dem Schreibtisch nimmt.
Das Telefon klingelt und holt mich in die Realität zurück. Ich bin erschrocken über mich selbst.
Heiße Fantasien im weiblichen Alltag
Nicht nur, dass er mein Chef ist. Nein, auch die Dinge, die ich mir mit ihm vorgestellt habe, lassen mich erröten. Denn im echten Leben würde ich nie wollen, dass mich jemand gegen meinen Willen nimmt. Ich sinke tiefer in meinen Bürostuhl, versuche mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren – doch es klappt nicht. Ich schäme mich für meine Fantasie.
Weitere spannenden Artikel:
Erotik für Frauen – alles für die Luststeiger
Sexfantasien aus dem Schuhkarton
So teilst du deine Sexfantasien mit
1. Harte Fantasien kommen häufig bei Frauen vor
Laut der Psychologin Terri Fisher denken Frauen im Schnitt täglich 19 Mal an Sex – also fast jede Stunde. Und im Gegensatz zu Männern, die sich vor allem durch visuelle Reize anturnen lassen, spielt hingegen bei Frauen das Kopfkino eine große Rolle – und das geht häufig über Blümchensex hinaus und zeigt schamlose Sexfantasie in bester Kinoqualität.
Professor Brett Kahr (Autor des Buches „Sex im Kopf“) fand in einer Studie die beliebtesten Sexfantasien heraus.
- Rund 25 Prozent der Frauen haben sadomasochistische Vorstellungen, in denen es um Dominanz und Unterwerfung geht – und das sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung.
- 22 Prozent der Frauen finden es erregend, sich beim Sex von anderen erwischen oder gar beobachten zu lassen.
- 28 Prozent der Frauen stellen sich regelmäßig einen flotten Dreier vor, ein kleinerer Teil davon sogar Orgien mit mehreren Personen.
- 7 Prozent fantasieren davon, ihre:n Partner:in den Hintern zu versohlen (Spanking)
- 13 % träumen davon, selbst Hiebe abzubekommen.
- Fast jede betrügt gedanklich ihre:n Partner:in: 90 % stellen sich vor, Sex mit jemandem anderen, als dem eigentlichen Partner oder der eigentlichen Partnerin zu haben.
- Und in 40 % der Fälle handelt es sich dabei um Arbeitskolleg:innen.
Mehr Intimität & Nähe – ohne Sex
Vermisst du die Zeiten, in denen Zärtlichkeit und Nähe selbstverständlich waren? Möchtest du endlich wieder Lust spüren? In seine Arme sinken und ihn küssen – ohne dass es gleich zu mehr führt? Wie einfach das geht, erfährst du im kostenfreien “Guide zu mehr Nähe und Intimität – ohne Sxx”.
Mehr Nähe ohne Sex? Erzähl mir mehr
2. Fantasien werden mit der Zeit tabuloser
Laut Kahr werden die Sexfantasien außerdem mit der Zeit immer tabuloser. So fantasieren wir heute über Dinge, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären, Beispiel: Analverkehr.
Und klar, unsere Gesellschaft wird zwar immer offener, überall findet man Sexualität: sei es in der Werbung, in Büchern, im Fernsehen … Sex ist überall. Trotzdem bleiben Sexfantasien oftmals noch von Scham begleitet.
3. Woher kommt bei Frauen die Scham?
Während meiner Mittagspause grüble ich über meine Scham nach. Klar, die heiße Fantasie mit meinem Chef war nicht ganz konventionell. Vielleicht hätte ich sie mir auch für zu Hause aufheben sollen, aber waren das wirklich Gründe, sich zu schämen?
Sexualtherapeutin Sandra Gathmann sieht in dieser Scham vor Sexfantasien zunächst mal nichts Schlechtes, sondern ganz einfach eine Schutzfunktion. So zeigt ein Tabu gewisse Werte oder eine Identität auf, die ich entwickelt habe. Möchte ich dieses Tabu nun übertreten, schützt mich die Scham zunächst davor, meine verinnerlichten Werte zu verraten. In diesem Fall muss ich erneut abwägen, ob das Tabu für mich immer noch existiert, oder ob sich mein Horizont erweitert, und gewisse Grenzen sich für mich verschoben haben.
Angst vor Grenzüberschreitung
Die Scham ergibt also Sinn, wenn ich Grenzen überschreite. In meiner Fantasie tue ich das jedoch nicht wirklich. Plötzlich geht mir ein Licht auf, denn genau das ist der Punkt: In Echt würde ich bestimmte Fantasien niemals tun. Das ist aber noch lange kein Grund, es in meiner Vorstellung ebenfalls nicht zu wollen. Das Gute an meiner Fantasie ist doch: Dort kann ich tun, was ich will.
Die Scham, die sich aufbaut, ist vermutlich auch darin begründet, dass man Angst hat, man würde sich diese Grenzüberschreitungen ebenfalls in der Realität wünschen. Man denkt, man wäre pervers. Hätte versteckte gefährliche Wünsche, zweifelt an der eigenen Zurechnungsfähigkeit etc. Doch keine Sorge: Fantasie ist nicht gleich reale Welt. Egal was man in der Fantasie möchte, es heißt nicht, dass man das im Sexleben wirklich erleben will.
Fantasien vs. Realität
Fantasie ist im Gegensatz zur Realität ein Safe Space. Wir entscheiden, wer, wann, wie und wo eindringen (im doppeltem Sinne) und was (er oder sie) dort machen darf. In diesem Safe Space ist erlaubt, was gefällt – und anturnt.
Alles, was sich in unserer Fantasie gut anfühlt, sei es Sex, mit dem Vorgesetzten, in der Öffentlichkeit, mit Schmerzen oder unkonventionellen Praktiken, fühlt sich in unserem Kopf natürlich ganz anders an, als im wahren Leben.
- Dir tut dabei nichts weh
- Du bist für dich (auch wenn in der Fantasie vielleicht viele Menschen zusehen oder mitmachen)
- Dir ist nichts peinlich
- Du bist sicher. Selbst wenn jemand etwas gegen deinen Willen in deiner Fantasie macht, bist es letztendlich doch du, die die Fäden in der Hand hält.
4. Erlaubt ist, was Frau im Kopf Spaß macht
In unserer Fantasie können wir jederzeit abbrechen, vor- und zurückspulen, Teile auslassen oder mit nur einem Gedanken das komplette Szenario ändern. Und so kann uns etwas, was sich im echten Leben schmerzhaft, erniedrigend, beängstigend oder unangenehm anfühlt, in unserer Fantasie durchaus den geilsten Orgasmus bescheren.
Es gibt also keinen Grund, sich für seine Fantasien zu schämen. Es ist erlaubt, was Spaß macht. Wichtig ist nur, dass wir zwischen einem Theaterstück im Kopf und der Realität unterscheiden.
Und nun muss ich mich entschuldigen. Mein Chef wartet …
Jule Beck hat ursprünglich Germanistik studiert, ist aber derzeit im Umweltschutz tätig.
Durch ihre Begeisterung für Bücher stieß sie irgendwann auf das Thema Sexualität und Körper. Seitdem setzt sie sich immer mehr für einen offeneren Umgang ein, damit jede:r die Möglichkeit findet, Sexualität in ihrer ganzen Vielfalt ohne Scham aus- und erleben zu können.