Die Klitoris ist neben dem Gehirn das größte weibliche Lustorgan. Erfahre hier mehr über ihre Größe und Lage: Und ihre Rolle für Lust und Fortpflanzung.
Königin Klitoris: Eine Ode an die Freude
Wenn ich an die Klitoris denke, singt eine Stimme in meinem Kopf immer „Freude schöner Götterfunken“! Und das hat sie auch verdient, denn kein Organ ist so wundervoll, aber gleichzeitig mit so viel Mythen und Unwissenheit verbunden, dass es eigentlich ein Skandal ist. Der folgende Beitrag wird das ändern, versprochen!
Wie die Klitoris vergessen wurde
Es würde niemandem einfallen, in einem Anatomiebuch den Penis nur als kleinen Hautzipfel zu beschreiben oder einfach gleich wegzulassen, oder? Der Klitoris ist aber genau das passiert. Sie wurde schon um 1559 das erste Mal wissenschaftlich beschrieben und 1844 von Georg Ludwig Kobelt als „Wollust-Organ“ in seinem Anatomie-Atlas genauestens aufgezeichnet. Und dann? Tja. Dann verschwand sie vor über 100 Jahren einfach wieder. Und brauchte eine halbe Ewigkeit, bis sie vor gut 25 Jahren von einer Frau „wiederentdeckt“ wurde.
Dabei ist die Klitoris neben unserem Gehirn das größte weibliche Lustorgan, sie thront zwischen unseren Beinen wie eine Königin und ohne sie geht orgasmustechnisch (fast) gar nichts. Zeit für einen Fakten-Check!
8000 oder 24.000 Nervenenden?
Es fliegen nämlich ganz schön viele Mythen um Königin Klitoris durch den Blätterwald. Eines davon ist das Märchen von den 8.000 Nervenenden, das wir alle bitte ganz schnell vergessen. Denn: Diese Messung wurde an dem sezierten Organ einer Kuh gemacht. Das ist wie als würden wir einen toten Hamsterpenis als Vergleich heranziehen, um das männliche Genital zu beschreiben. Richtig ist: Es wurden bereits bis zu 24.000 Nervenenden bei menschlichen Klitoriden ausgezählt. Das ist mal eine Hausnummer, oder? Da können Penisse mit mickrigen 4.000 nicht mithalten.
Die Klitorisperle ist nur die Spitze des Eisbergs
Sowieso wird die wahre Größe der Klitoris immer wieder unterschätzt, was schlichtweg daran liegt, dass das meiste von ihr im Inneren unseres Körpers liegt. Männer haben bis zu 25 Mal am Tag ihren Penis in der Hand, Frauen… naja. Eher nicht. Was wir von außen sehen, ist die Klitoriseichel unter ihrer schützenden Vorhaut dort, wo die äußeren Vulvalippen oben zusammentreffen – aber das ist wirklich nur die Spitze des Eisbergs. In Wahrheit ist sie viel, viel größer und erstreckt sich bis tief hinein in unser Vergnügungszentrum.
Perle, Schaft, Schenkel, Vorhofbulben
Man muss sich die ganze Größe wie ein umgedrehtes, großes V vorstellen: Von der Klitorisperle an der Spitze des V steigt der Klitorisschaft auf (den kann man kurz unter dem Venushügel mit sanftem Druck erfühlen!), bevor sich die Klitoris wieder hinunter in zwei Klitorisschenkel aufteilt, zwei Arme, die links und rechts eingebettet in die äußeren Vulvalippen herabsteigen. Sie sind jeweils etwa 10 Zentimeter lang, an ihnen befinden sich die Schwellkörper, auch Vorhofbulben genannt, die sich bei Erregung mit Blut füllen und anschwellen. Auch Frauen können also eine Erektion bekommen!
Klitoraler Orgasmus? Die Technik machts!
Die Größe des gesamten Organs sagt übrigens nichts darüber aus, wie gut sie erregbar ist, wie viele Nervenenden in ihr sind oder wie toll man einen Orgasmus bekommen kann. Denn sie sieht bei jeder Frau anders aus, reagiert anders und sie wächst sogar mit dem Alter noch weiter. Einzig der Abstand zwischen Klitorisperle und Vaginaeingang ist etwas trickreich: Wenn die beiden nämlich sehr weit auseinanderliegen, kann es bei der Missionarsstellung mit einem Penis sein, dass die Klitoris von außen nicht so gut stimuliert wird.
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Die CAT-Stellung
Aber für so etwas gibt es Hände, Toys und Technik! Wir essen unsere Mahlzeiten ja auch nicht direkt mit dem Gesicht vom Teller, sondern benutzen unsere Hände, warum also nicht beim Sex? Es müssen ja nicht die Eigenen sein, das geht beim Doggy Style von hinten ganz wunderbar auch durch die des Partners. Wer sich dabei trotzdem in die Augen gucken möchte, probiert es mal mit der CAT-Stellung (Coital Alignment Technique), die sich eher nach Expeditionen ins Tierreich oder Yoga anhört, aber echt super auszuprobieren ist: Die Frau liegt bei der Stellung ganz gemütlich auf den Rücken, der Mann legt sich auf sie und führt den Penis in ihre Vagina. Jetzt kommt der Clou: Die Damen schließen nun die Beine und pressen sie zusammen, der Lover rutscht etwas hoch und stößt so mehr von oben in sie, bewegt sich also eher auf und ab als vor und zurück. Becken an Becken entsteht so mehr Reibung an der Klitoris und übrigens auch am Penis, was für beide toll sein kann – klingt nach Win-Win-Situation, oder?
Erogene Zonen: A und G, AFE – Olé, olé!
Zwischen Klitoriseichel und Harnröhrenöffnung darunter und auch im Inneren rund um die Harnröhre liegt ein sehr sensibles Gewebe, das auch mit der Klitoris in Verbindung steht, Letzteres nennt man auch G-Fläche. Wer diese mit dem Finger, Penis oder einem gebogenen Dildo bzw. Vibrator massiert, stimuliert das Lustorgan von innen. Und auch die AFE-Zone (Anterior Fornix Erogenous Zone, kurz A-Punkt genannt), die sich hinter der G-Fläche an der oberen Vaginawand Richtung Zervix befindet, ist eigentlich insgeheim nichts anderes als die Rückseite der Klitoris.
Alles kann, nichts muss
Es gibt also viele Wege, die Klitoris zu stimulieren, egal, ob von innen oder außen! Aber wie überall, so gilt auch hier: Alles kann, nichts muss. Massieren, reiben, drücken, vibrieren, streicheln, kitzeln, klopfen an der Kitorisperle (und darum), an den Vulvalippen, an der G-Fläche oder von der Rückseite – jede Frau reagiert anders darauf. Und nicht jede ist sofort schockverliebt in einen Vibrator oder Klitorissauger-Toy. Manche Klitoriden sind nämlich sehr empfindlich und mögen es gar nicht, so stark stimuliert zu werden. Auch das ist völlig normal.
Unerwünschte Gewöhnung durch starke Klitoris-Stimulation
Genauso normal, wie wenn man merkt, dass man beim Solo-Sex durch häufiges Benutzen von Sex Toys an der Klitoris irgendwie nicht mehr so richtig zündet. Das viel zitierte Dead Vagina Syndrome, das eine angebliche „Abstumpfung“ der Nerven an der Vulva bezeichnet, gibt es nicht.
Das hilft: Toy-Detox
Mit Nerven in unserer Intimzone ist es nämlich wie beim scharfen Essen: sehr viel, sehr häufig und sehr scharf essen bringt dem Körper bei, sich daran zu gewöhnen. Das so „Erlernte“ kann aber genauso gut wieder abtrainiert werden, wer nämlich mal über eine längere Zeit eine Pause vom Chili macht und dann einen vollen Löffel Tabasco isst, wird es verstehen. Genauso ist es beim Toy-Genuss: Einfach mal über ein paar Wochen oder länger auf Toy-Detox gehen und dann statt Vibrator etc. die Hände benutzen. Ihr werdet den Unterschied sehr wahrscheinlich mehr als deutlich spüren.
Die Klitoris ist nicht nur zur Lust da
Und zu guter Letzt: Es ist übrigens auch ein Mythos, dass die Klitoris nur zur Lust da ist. Wenn sie stimuliert wird und wir Erregung spüren, werden in unserer Vagina alle Schleusen geöffnet und wir werden feucht – und da hat sich die Evolution durchaus etwas bei gedacht. So haben wir nicht nur überhaupt erst Lust auf Sex, sondern der Penis kann, ganz praktisch, besser in die Vagina gleiten und es macht uns mehr Spaß. Und durch die erhöhte Feuchtigkeit haben es Spermien nachher auch einfacher, sich in der Vagina zur Zervix und dann in die Gebärmutter zu bewegen. Clever, oder?
Text: Dr. Nadine Beck
Foto: shutterstock.com/Puppy 9
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