Da sitze ich nichts ahnend am Küchentisch von Stefanie Reeb, die Wellcuisine macht und gerade über ihr neues Buch „Süß & Gesund Weihnachten“ erzählt, als die Haustür ihrer Mallorca Finca aufgeht und ihr Mann hereinkommt. Ein großes Hallo, Gelächter und viel Freude, denn Fotograf Thomas Leininger (mehr dazu hier) steht vor mir. Wir kennen uns aus Berlin, von Partys und langen Nächten, sofort ist der Wein auf dem Tisch und Tommi zeigte seine wunderschöne Aktfotografien „Shades of Colors“. Zart, wahrhaftig, voyeuristisch und sehr sexy finde ich die Werke. Daher will ich sie euch natürlich nicht vorenthalten. Und dazu noch ein Interview, das er Kollegin Michèle Roten darüber gegeben hat.

Foto: Thomas Leininger
Aber vorneweg lasse ich erstmal Tommi zu Wort kommen, was er über Happy Vagina denkt: „Als ich das eine oder andere bei dir auf dem Blog gelesen habe, über Dich, deine Geschichte, den Wunsch, sich (wieder) zu spüren, über Tantra, und sich fallen lassen, sich hingeben und dabei seine Lust (im ganzen Körper) neu kennenzulernen, erinnerte mich das sehr an die Shootings mit den Frauen damals, das sich Einlassen und Kennenlernen, an die Hingabe und Selbstliebe, die ich da sah und von der ich im Interview spreche als etwas, das ich „schön“ finde – ein Zustand, ein Moment, eine Art, eine Haltung, wo alle (Menschen) schön (für mich) sind. Es ist ein Moment, und eben auch eine Momentaufnahme von Schönheit, jenseits vom individuellen Aussehen, vom Spezifischen und Konkreten. Unscharf und doch scharf. Nicht vergleichbar. Es ist wie gemalt, ein Bild aus Farben, aus Tönen, ein (stimmiger) Farbklang, ein Ton, vielleicht auch ein Duft. Von dort, wo Form und Wesen sich treffen.
Das Interview
Michèle Roten (Das Magazin) im Gespräch mit dem Künstler Thomas Leininger (*1964, lebt und arbeitet in Palma und Berlin)
Es läge eigentlich nahe, sich von Thomas Leiningers Bildern inspirieren zu lassen. Einen Text zu schreiben, der versucht, den eigentümlichen Sog dieser Fotografien einzufangen. Man würde Wörter verwenden wie „tagträumerisch“, „schwerelos“. Konstruktionen wie „leuchtend und licht“. „Unangestrengte Verführung“. „Gnädige Unschärfe“. Aber man könnte auch einfach mal den Künstler zu Wort kommen lassen.

Foto: Thomas Leininger
Michèle Roten: Wenn ich Deine Bilder anschaue, fühle ich mich wie ein Voyeur. Da ist diese Verschwommenheit, als ob mich nur ein Vorhang von den Frauen trennen würde und die Posen, so alltäglich-intim. Und meine Gefühle dabei schwanken zwischen Scham und Freude. Wie hältst Dus mit dem Voyeurismus?
Thomas Leininger: Etwas zu beobachten, das eigentlich nicht für meine Augen bestimmt scheint, ist besonders aufregend. Ich liebe diese beiläufige, leise Art, etwas zu entdecken auch im Alltag.
Wie pervers fühlt es sich eigentlich als Fotograf an, etwas unscharf zu fotografieren? Ist die Kamera doch ein Mittel für grösstmögliche Genauigkeit.
Es ist wunderbar. Die Zeit der neuen Sachlichkeit, der seelenlosen Selbstentblößung und Schamlippen-Diarys in der Fotografie und Kunst langweilte mich. Das ist beeindruckend auf den ersten Blick, doch ohne Bestand und zum anderen hässlich-kalt zur Schau getragene Eitelkeiten einer Ich-bezogenen Spassgesellschaft. Mich interessiert nicht das Konkrete, sondern eine abstrakte, visuelle Figur. Ein traumhafte Verkörperung von erotischen Wünschen. Kein Pink-Shot, keine Ware, kein Fleisch, sondern das Gefühl, die Wahrheit, die Liebe.
Auch meine Empfindung: Deine Fotografien sind eher Vorstellung als Abbildung. Kann man eigentlich sagen: Dir ist die Welt zu scharf? Wünschst Du Dir mehr Verschwommenheit, Uneindeutigkeit im Leben, in der Gesellschaft? Bist du ein Freund des indirekten Wegs?
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Ja, ich will
Ja, größtenteils, zumindest dort, wo der Blick aufs Wesentliche verstellt ist – in den Städten. Zu viele Menschen, zu wenig Platz. Wo es eng ist, fehlt auch im Allgemeinen der Weitblick, die Träume. Nur Begrenzungen, Menschen, Häuser, Gestank und vor allem Lärm. Meine Bilder kämpfen für mehr Schönheit, für Sinnlichkeit, für Ruhe, für Einkehr. Ich male Bilder mit der Kamera, bestimme den Ort, die Zeit, das Outfit und Atmosphäre. Bin still, drücke auf den Auslöser. Und wähle beim Sichten des Materials die zufälligen, alltäglichen Posen aus. Wie das wahre Leben. So sieht’s aus.

Foto: Thomas Leininger
Und die Frauen sehen alle wunderschön aus. So ganz im populär-normativen Sinn: Sie sind schlank, und – soweit man das erkennen kann – sehr hübsch. Warum hast du nur solche Ideale in diesen Reigen aufgenommen?
Die Bilder entsprechen meinen Vorstellungen, meinem Bild von Frau, das ich momentan formal am schönsten finde. Meine Art sie unscharf zu fotografieren, macht diese, ja alle Frauen etwas schlanker als sie tatsächlich sind. Ich seh sie mir sozusagen zurecht, ich mache sie zum Ideal. Ich habe aber auch schon weitaus dickere Frauen so fotografiert – sie gefielen sich dann auch sehr. Der nächste Zyklus, mit dem ich bereits begonnen habe, zeigt kaum wahrnehmbare, dunkle Akte. Sie erzählen, so hoffe ich, mehr von der Nacht, vom Tod. Und zeigen auch ältere Frauen. Und Männer.
Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen dem Fotografieren von Frauen und Männern?
Ich finde Frauen spannender als Männer. Männer brauchen meiner Erfahrung nach länger, sich einzulassen, sich zu zeigen, sie schützen sich gerne, sind verunsichert, sind weniger intuitiv und denken viel nach.
Wann ist für Dich eine Frau schön?
Wenn sie bei sich ist. Sich wohl fühlt in ihrer Haut. Wenn sie strahlt. Sich selbst liebt. Wenn sie sich verschenkt. Wenn sie sich hingibt. Hingabe ganz allgemein ist schön. Selbstliebe und Hingabe, ja.
Was treibt dich künstlerisch an?
Es ist immer wie das Leben selbst: Ich bin auf der Suche nach innerer Ruhe, nach vollkommener Zufriedenheit. Am Anfang, beim Fotografieren wie im Leben, steht dabei immer die Aufregung, die erotische Neugier. Sie treibt mich an. Und wenn ich es finde bzw. es mich findet, kommt die Ruhe. Die Ent-Spannung. Das Gefühl, ein gutes Bild gemacht zu haben, ist wie ein stimmiger Klang. Ein Dreiklang aus Form, Farbe und Gefühl.
Was ist ein gutes Bild?
Ein gutes Bild berührt, regt uns auf und/oder macht uns ruhig. Es erzählt vom Leben oder vom Tod.
Alle Bilder der „Shades of Color“-Serie von Thomas Leininger sind übrigens von Frauen gekauft worden 🙂

Tina Molin arbeitet seit über 20 Jahren als Journalistin. Dann wurde sie Mutter – und plötzlich war ihre Lust weg. Daraus folgte der Blog „Happy Vagina“ und das Interesse an weiblicher Sexualität & Lust. Im Mai 2021 erschien ihr Buch „Endlich wieder Lust auf Sex“ (Goldmann Verlag). Tina arbeitet als Mentorin und begleitet Frauen in ihr lustvolles Leben. Sie schreibt die Kolumne „Sex ab 40“ für Stern und lebt mit Mann und Kind in Berlin. (Foto: Verena Berg)