Nicht nur unsere Autorin Heike Niemeier, sondern auch Caro kennt diese Sätze. Sätze, die man ein halbes Leben mit sich herumschleppt. „Du bist zu dick“ ist so ein Satz. Deshalb macht sich Caro stark für Body-Positivity und hat sich im Rahmen des Fotoprojekts „Dein Körper ist genug“ nackt fotografieren lassen.

Liebe Caro, wieso hast Du Dich im Rahmen des Body-Positivity-Fotoprojekts „Dein Körper ist genug“ nackt fotografieren lassen?

Zu dieser Zeit befand ich mich gerade im eigenen Heilungsprozess. Nach der Trennung meiner langjährigen Beziehung Ende 2018, in der mein Körper abgelehnt wurde und auch ich es tat, entschied ich mich zu lernen, meinen Körper anzunehmen, anstatt gegen ihn zu arbeiten. Ich entschied mich endlich zu meinen Kurven und meinem Körper zu stehen, anstatt ihn für andere „zu reduzieren”. 

Welche Tools oder Hilfsmittel hast du genutzt, um deinen Körper anzunehmen? Ich musste mich da beispielsweise stark von alten Rollenbildern verabschieden und das war kein einfacher Prozess.

Alte Rollenbilder waren weniger mein Thema. Viel mehr war es das Annehmen meines Körpers und meiner Weiblichkeit. Auch das Entdecken und Ausleben meiner Sexualität. Entsprechend war Sex durchaus ein Tool, das mir geholfen hat. Zum einen war es das Annehmen von Komplimenten und Begierde der Männer, was ich anfangs nicht tat. Ich konnte nicht glauben, dass mich jemand so begehrenswert findet! Sicher ist das nicht alles: Ich habe mich mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt, Podcasts gehört und Bücher gelesen, die sich mit Selbstliebe und dem Inneren Kind beschäftigen. Habe angefangen zu meditieren und mich mit meiner Vergangenheit beschäftigt, um eigene Glaubenssätze und entsprechende Verhaltensweisen besser zu verstehen. Um damit mich besser zu verstehen und zu lieben. Dass ich meinen Körper nicht für genug empfunden habe, war auch ’hausgemacht’Wenn meine Mutter mir beispielsweise sagte „Wegen dir müssen wir den Tür-Rahmen vergrößern“

Body-Positivity: Ich inspiriere Menschen

Autsch, das ist sehr verletzend. Mitten in diesem Heilprozess hat dich Caroline Hopp gefragt, ob Du an ihrem Fotoprojekt „Mein Körper ist genug“ teilnehmen möchtest und dich nackt fotografieren lassen magst. Body-Positivity pur. Hast du ohne zu zögern, ja gesagt? Oder gab es noch zweifelnde Stimmen in dir?

Klar, es war eine ganz anregende Diskussion meiner zwei Stimmen im Kopf: „Die eine sagte: Ja, steh zu dir. Mach das! Du bist schön! Beweis es dir!“ Die andere sagte: „Oh, und wie wird das mit dem Job? Was, wenn sich andere lustig machen?“ Ich evaluierte meine Stimmen und entschied mich für die Erste. Wenn andere diesen Teil der Authentizität nicht an mir schätzen und mich dadurch abwerten, hat das nichts mit mir zu tun und diese Menschen gehören nicht in mein Leben. 

Bodypositivity, Diversity, Dein Körper ist genug, Foto-Aktion
Caro fotografiert für „Dein Körper ist genug“ / Foto: Jennifer Siegel

Der Aufruf kam im Sommer 2019, die Vernissage fand im November statt. Ohne viel Werbung nahmen fast 400 Menschen teil, wie war die Resonanz?

Die Bilder der Frauen wurden ausgestellt und zusätzlich erzählten wir unsere Geschichten auf der Bühne. Als ich meine Geschichte während der Vernissage erzählte und bemerkte, wie viele Menschen es inspiriert, ihnen Halt und Kraft schenkt, entschied ich mich mit in das Projekt einzusteigen. Mit meinem Faible für Marketing, Fotografie, Grafik und Design wusste ich, dass ich mich hier einbringen kann. 

Body-Positivity gilt auch für männliche Körper

Was ich besonders toll an dem Projekt finde: Ihr zeigt nicht nur Frauen.

Schauen wir nach dem Schlagwort „Body-Positivity“, finden wir hauptsächlich Frauen, die zu ihrer ’Unperfektion’ stehen. Das ist wundervoll und gleichzeitig betrifft es alle Menschen. Auch Männer fühlen sich bspw. nicht männlich genug. Das diverse Geschlecht findet wenig Aufmerksamkeit, genauso wie die queere Szene. Sie ist in der gängigen Medienlandschaft kaum zu finden. Gleiches gilt für Menschen mit Behinderungen, Menschen mit anderen Kulturen oder Menschen im höheren Alter.

Nicht nur Frauen sollten voneinander lernen, sondern wir Menschen. Wie viel wissen wir von den ‚anderen’? Sind sie anders oder haben wir doch etwas gemein? Aus unserem Projekt kann ich berichten, dass die meisten Menschen ungeachtet dessen, welcher ‚Gruppe’ sie sich zugehörig fühlen, ihren Körper für nicht genug empfinden. Es ist zwar erschreckend und gleichzeitig ist es eine Chance zusammenzukommen. Wir alle haben einen Körper und dürfen wieder lernen, ihn zu lieben anstatt ihn im Vergleichswettbewerb niederzumachen.

Gibt es heute noch Momente, in denen du mit dir bzw. deinem Körper haderst? Also ich habe die ab und an noch, allerdings finde ich die nicht mehr so schlimm wie früher.

Auch heute habe ich die Momente, in denen ich merke: Hui, die Hose hat mal besser gepasst. Puh, die Schenkel sind schon echt wabbelig etc. Ich bin im Vergleich nur achtsamer geworden und lasse Kommentare von außen nicht mehr so sehr an mich heran, sondern agiere ganz egoistisch mit meinem Körper. Was mag ICH? Was mag ICH gerade vielleicht nicht? Hat sich mein Körper verändert? Was führte dazu? Wie geht es MIR? Letztendlich höre ich peu à peu auf gegen mich zu kämpfen. 

Verändere Dich für Dich

Hat sich die Resonanz auf dich und deinen Körper dadurch verändert?

Absolut! Ich bin viel selbstbewusster, achtsamer und glücklicher mit meinem Körper als früher. Das merke ich anhand der Reaktionen im Freundeskreis, durch mehr Mut in meinem Kleidungsstil, im Alltag und im Dating. 

Welchen Rat möchtest du Menschen mitgeben?

Du bist nicht allein mit deinen Gedanken, vielleicht auch dem Vergleich deines Körpers. Kehre des medialen Präsenz vom perfekten Körper und perfektem Aussehen den Rücken zu, finde dich. Schätze deinen Körper und lerne ihn zu lieben, wie du ihn magst. Mach, was dir guttut und verabschiede dich von negativem Einfluss anderer Menschen. Wenn du dich verändern willst, mache es für dich, doch im ersten Schritt: Fang an dich so zu nehmen, deinen Körper so zu lieben, wie er ist. Er ist genug. 

Als Sexberaterin möchte ich natürlich auch wissen, hast du jetzt mehr erfüllenden Sex?

Tatsächlich habe ich nicht nur mehr Sex, sondern auch besseren Sex. Sex mit meinem Körper zu genießen, indem ich mich fallen lassen kann und blockierende Gedanken wie ’Findet er meine Schenkel zu fett? Ist mein Po zu dick und fällt ihm mein Speck auf?‘ sind vorbei. Die haben im Alltag und auch im Bett nichts zu suchen.

Ein guter und wahrer Satz zum Schluss!

Mehr zum Body-Positivity-Projekt

Dein Körper ist genug“ setzt sich für mehr Körpervielfalt und -liebe ein, indem wir echte Körper und die Menschen mit ihrer Geschichte zeigen. Das Visualisieren unserer Vielfalt in der Gesellschaft geht in den Medien unter. Zunächst sind wir ein Fotoprojekt, wollen aber zu einer Bewegung werden. Daran arbeiten wir gerade. Wenn ihr mehr über den Kampf für mehr Körperdiversität, indem echte Menschen, echte Körper und ihre Geschichten gezeigt werden – sehen und wissen möchtet – dann schaut auf

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